Wach sein, rege sein, das meine ich vor allem gegenüber den Problemstellungen, die sich vor uns auftürmen und mein Kollege Michael Moos schon eindringlich beschrieben hat. Heruntergebrochen auf unsere städtische Gemeinschaft heißt das ganz aktuell die Begegnung mit der islamischen Kultur in den Fokus nehmen und gegen die drohende Spaltung der Gesellschaft eintreten, die Interkultur in der Stadt fördern, es heißt aber auch die Wohnungsnot bekämpfen und für erschwingliche Mieten sein bei angemessener und gestalterischer Bautätigkeit, es heißt die Bewältigung der Flüchtlingssituation für Freiburg in menschliche Bahnen und ohne Stacheldraht zu bringen und vor allem heißt es, mit den Großprojekten in unserer Stadt so umzugehen, dass die Verhältnismäßigkeit zu anderen Projekten, seien sie auch noch so klein, gewahrt bleibt!

So fällt es mir als Vertreter der Kulturliste nicht schwer die Linie zur Kultur der Stadt zu ziehen und zu konstatieren, dass wir eine insgesamt gigantische kulturelle Aufgabe vor uns haben, welche die Stadt für die Zukunft fit machen soll. Dazu braucht es Konzepte und Analysen und die richtigen Folgerungen, manchmal kann man an den Schlüssen der Verwaltung schier verzweifeln.

Es hätte nun für mich auf der Hand gelegen, das neue Stadion mit Hinweis auf die vielen unerledigten Aufgaben in der Stadt abzulehnen, noch dazu mit einer persönlichen Wut angereichert über die uninteressierte Art des grünen OB, wenn es um soziale oder Kulturfragen geht. Doch das ist zu kurz gegriffen. Als Fußballfan seit den Schulkicktagen am Bertholdgymnasium und Rechtsaußen in der Klassenmannschaft mit Hang zum Fallrückzieher, ausgestattet mit einem Starschnitt von Uwe Seeler aus dem Kicker an der Jugendzimmerwand war ich lange Jahre HSV-Fan. Und eigentlich hat mich erst Volker Finke endgültig von dieser hanseatischen Fußballumklammerung befreit.  Der SC muss in Freiburg seinen Platz haben und das geht offensichtlich nur mit einem neuen Stadion am Wolfswinkel. Und dieses Stadion, welches baulich und gestalterisch, umwelttechnisch, nutzungsvariabel und mit der Uni synergetisch zu einem Aushängeschild der Stadt werden kann, passt dann auch wieder zu einem Freiburg-Bild, an dem ich bereit bin, aktiv mitzuarbeiten und mitzugestalten. Die Gegen-Argumente aus den Bereichen der Ökologie, der Klimaforschung, des Verkehrs, der Fliegerei sind gut begründet und wiegen schwer, das Finanzierungskonzept weist gewisse Unsicherheiten auf, – immer mehr Gegner kommen aus der Deckung –  und auch in unserer Fraktionsgemeinschaft ist die Abstimmungslage fast ausgeglichen. Ich selbst komme beim Bürgerentscheid zum Ergebnis in dubio pro SC und werde mit ja stimmen.

Was vor uns steht ist der Haushalt 2015/16, den wir Ende April verabschieden,  eine neue ungewohnte und in manchem auch uneinsichtige  Lesart macht so manchem fürs erste Mal  noch Kopfzerbrechen. Momentan werden viele Gespräche mit Zuschussempfängern von uns geführt. Wir werden versuchen, auch dieses Mal möglichst viele der uns wichtigen Anträge durchzubekommen, das geht nur mit Mehrheiten und die müssen gesucht und geschmiedet werden. Rückblickend muss ich sagen, die Kultur hat sich weiterentwickelt, die Vielfalt der freien Einrichtungen und der Kulturgruppen ist weiterhin stadtprägend und die Lebendigkeit und Kreativität der Szene ist ungebrochen. Einige Gruppen konnten wir vor zwei Jahren mehr Planungssicherheit geben, bei manchen Sparten konnten wir die Sammeltöpfe erhöhen. Das gilt es ganz im Sinne des Freiburger Kulturkonzeptes fortzuschreiben, dessen Erscheinen jetzt vor bald 6 Jahren immer noch als Meilenstein zu bezeichnen ist und dessen Gültigkeit ungebrochen ist. Aber auch neue Projekte sollen eine Chance bekommen, – es war schon immer ein besonderes Anliegen der Fraktionsgemeinschaft, keinen „closed shop“ im Haushalt festzulegen.

Der große Schmerzpunkt war für das letzte Jahr der Verlust des SWR-Orchesters Freiburg-Baden- Baden ab 2016 und die Fusion mit Stuttgart. Diese konnten wir leider nicht verhindern, obwohl es zugegeben eine harmlose Resolution des Gemeinderats gab und sogar Demonstrationen, – die grün/rote Landesregierung hat sich in dieser Angelegenheit keine Meriten verdient.   Und ein weiteres Malus kommt hinzu: Auch die Außenstelle der staatl. Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe in der Gertrud Luckner Schule, Hort vieler Künstlertalente, ist so gut wie geschlossen, es müssen nur noch bauliche Grundlagen in Karlsruhe für einen Umzug geschaffen werden. Diese Tatsache macht uns betroffen und erfordert neue Anstrengungen im Bereich der Bildenden Kunst.

Wir haben eine Kunstkommission und einen Gestaltungsbeirat, das sind große Errungenschaften für einen verantwortungsvollen und professionellen Umgang mit unserem Bauen und unserer Kunst in der Stadt. Und das ist bitter nötig! Wir werden uns die Kunst im öffentlichen Raum auf die Fahnen schreiben, der öffentliche Raum wird immer wichtiger und gerade in Freiburg ist er ein hohes Gut, das leider immer mehr zu möbliert wird. Der Ausbau des Platzes der alten Synagoge und vor allem des Theatervorplatzes und des Ringes bis zum Siegesdenkmal sind zentrale Aufgaben, die gestalterisch noch nicht ans gute Ende gelangt sind. Und beim neuen Rathaus sollte endlich eine künstlerische Aussage platziert werden, damit Kunst am Bau als gestalterisches Element wieder an städtischen Gebäuden verwirklicht wird, es ist eine Mär, dass die Bauwerke an sich schon Kunstwerke sind, wie die Bauverwaltung es immer behauptet.

Zuletzt möchte ich noch meiner neuen Kollegin Brigitte von Savigny zu ihrer erfolgreichen Kandidatur auf der Kulturliste gratulieren, das war nämlich rückblickend auch ein besonderes Ereignis, und so sind wir als Kulturliste wieder mit zwei Räten in den Gemeinderat eingezogen. Vorausschauend möchte ich der ganzen Fraktionsgemeinschaft mit linker Liste und Unabhängigen Frauen für den guten Start danken und vor allem auch die aktiven Mitarbeiter erwähnen, die uns mit Wachsamkeit und Verve unterstützen und die immer mehr werden – das spricht ja auch für sich, sodass wir inzwischen montags in unseren Räumen im Rathaus nicht mehr tagen können, sondern in größere Räume ausweichen müssen.

Ich danke Euch!

Atai Keller – Stadtrat für die Kulturliste Freiburg – kult – in der UL