Atai Keller
Stadtrat der Kulturliste
Jacob-Burckhardtstr.3
79098 Freiburg 4.2.2015

Oberbürgermeister der Stadt Freiburg
Dr. Dieter Salomon
Rathaus

 

Die Chance Stadtjubiläum

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Verschiedentlich tauchte in der Vergangenheit der Hinweis auf das Stadtjubiläum in den Vorlagen des Gemeinderats zur Kultur, aber auch zur Nachhaltigkeit auf. Dieses waren jedoch bis jetzt nur Andeutungen.
Aktuell machen mich nun in der Vorlage G -14/222 „Zur Sanierung und Neukonzeption des Augustinermuseums“ zwei Abschnitte stutzig, in denen explizit auf den Seiten 3 und 9 das Stadtjubiläum erwähnt wird. Auf Seite 9 wird innerhalb des Zeitplans zum dritten Bauabschnitt des Augustinermuseums vom „dritten Bauabschnitt als zentraler Ort der Veranstaltungen zur 900-Jahrfeier“ gesprochen. Diese Vorlage wird am 5.2. im Kulturausschuss der Stadt behandelt und am 28.4. im Gemeinderat verabschiedet.

Ich möchte darauf hinweisen, dass bis heute das Stadtjubiläum, dessen inhaltliche Ausrichtung oder gar ein mögliches Veranstaltungsprogramm oder die Schwerpunkte des Jubiläumsjahres nirgendwo Gegenstand eines Auschusses oder einer Arbeitsgruppe gewesen sind. Ich halte deswegen jede frühe Festlegung von zentralen Örtlichkeiten oder Schwerpunkten ohne Diskussion in den gemeinderätlichen Gremien oder auch in bürgeschaftlichen Kreisen für verfrüht und auch für kontraproduktiv. Nicht dass ich das Augustinermuseum für ungeeignet halte für solche Veranstaltungen, aber bei der Fülle von kulturellen Orten in Freiburg und der expliziten Vielfalt der Kulturlandschaft sollten wir erst einmal auch diese Vielfalt in den Mittelpunkt des Diskussion stellen.

Es wird höchste Zeit, dass das Stadtjubiläum in den Fokus des städtischen Interesses rückt, und sich breite Kreise der Stadtgesellschaft mit dem Thema der 900 Jahr-Feier in Freiburg befassen. Die Zeit schreitet fort und dieses Jubiläum muss gründlich vorbereitet werden. So bietet sich der Freiburger Bürgerschaft in der mehrjährigen Vorbereitungsphase zu diesem Jubiläum die einmalige Möglichkeit, die Stadt und die Stadtgesellschaft von verschiedenen Blickwinkeln her zu beleuchten und modellhaft zu entwickeln.

Bürgerschaftliche Ansätze hierzu gibt es genug, Freiburs Kulturlandschaft ist einmalig, das Dreiländereck als Wiege des Humanismus weltbekannt. Freiburg muss seine Stärken deutlich machen und zusammenführen. Kultur und Wissenschaft sind dabei sicher Schwerpunkte, ebenso die Ökologie und die Nachhaltigkeit. Aber auch der Sport, die verschiedenen Formen von Bürgerbeteiligung mit der bedeutenden Arbeit der Bürgervereine könnten Aushängeschilder eines Freiburg-Bildes werden. Freiburgs Vernetzung mit den Partnerstädten ebenfalls. Die Stadt hat ein großes kritisches Potential, das stellen die vielen sozialen und kulturellen Initiativen und Gruppierungen mit ihrer zum großen Teil ehrenamtlichen Arbeit täglich unter Beweis. Dieses Selbstbewußtsein der Bürgerschaft, welches sich auch durch die  früheren Jahrhunderte durchzieht, sollte ebenfalls Gegenstand der Betrachtung zum 900 jährigen Jubiläum der Stadt werden.

Der Stadtarchivrat Prof. Peter Albert hat im Auftrag des Stadtrats zur 8oo  Jahresfeier eine Festschrift entworfen „Bilder aus der Geschichte der Stadt „ , die 1920 bei Herder erschienen ist. Dazu schreibt der Verfasser im Juni 1920: „Die Schwierigkeit meiner Aufgabe habe ich mir angesichts der Kürze der Zeit und die Fülle des Stoffes keinen Augenblick verhehlt und wende mich deshalb an die Nachsicht der Leser, die es zu würdigen wissen werden, was es heißt, einen nach breitester Darlegung verlangenden Gegenstand je und je auf den kürzesten Ausdruck zu bringen;“ Und er spricht im weiteren von Schwierigkeiten, die sich ihm beim Schreiben gestellt haben, ein befriedigendes Bild von der grossen Vergangenheit der Stadt zu geben und von der bildenden Kunst, die er zuhilfe genommen habe, um das Auge des Lesers zu erfreuen. Und er fährt fort: „Dunklen und strittigen Fragen bin ich nirgends aus dem Wege gegangen, den Boden der Wirklichkeit habe ich wissentlich auf Kosten der Wahrheit niemals verlassen, schön klingende Verklärung und schön kleidende Verbrämung überall verschmäht“.

100 Jahre später wird eine Festschrift sicher anders gestaltet werden, und es wird dazu viele Publikationen geben. Wir sollten aber die Warnungen  des Stadtarchivrats von damals über die mangelnde Vorbereitungszeit ernst nehmen.

Auch wenn, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, im Jubiläumsjahr 2020 Ihre derzeitige Amtszeit ausgelaufen ist und Sie bis jetzt zu einer weiteren Amtszeit keine deutlichen Aussagen getroffen haben, möchte ich Sie bitten für die Stadt Freiburg, die Vorbereitungen für das Stadtjubiläum jetzt zu beginnen. Auch wir als Gemeinderäte bewegen uns 2020 auf unsicherem Gelände, da sicher dann einige von uns  nicht mehr im Ehrenamt sein werden. Dennoch ist jetzt die Zeit!
Andere Städte haben zu einem solchen Stadt-Jubiläum besondere Bauten oder Gebäude aus der Taufe gehoben, umso mehr braucht es momentan gemeinsame Überlegungen, die öffentlich geführt werden sollten, welche Vorhaben sich dafür eigenen würden. Eine Bautätigkeit in der Stadt ist nicht zu übersehen, eine neue Stadtgestaltung greift Raum und wird in den nächsten Jahren verwirklicht. Die Stadt  baut ein neues Rathaus, das Theater ist saniert, das Augustinermuseum nähert sich dem dritten Bauabschnitt, ein neues Stadion kann jetzt mit Effet errichtet werden, viele Schulen warten auf ihre Sanierung, die ewige Baustelle Lycee Turenne stagniert, die Stadthalle ist momentan nur zwischengenutzt, die sogenannte Schlossbergnase wartet sehnsüchtig auf ihre Verwirklichung, der Rotteck/Friedrichring als Jahrhundertwerk wird die Innenstadt verändern, die Kunst im öffentlichen Raum wird endlich öffentliches Thema, Schildacker und Güterbahn warten auf die weitere Bebauung, ein neuer Stadtteil steht an. Umso mehr ist die Frage erlaubt, welche Gebaüde oder Bauwerke werden um das Jahr 2020 fertig gestellt und welche Gebäude eignen sich als  „Jubiläumsbauten“ oder „Jubiläumsbau- und Gestaltungsprojekte“? Nicht zuletzt auch das Münster hat seine Haube auf, wielange noch?

Ein Jubiläumsjahr ist auch immer eine Zeit zum Innehalten und zum Bilanz ziehen. Ein solches Datum könnte durch gemeinsames Nachdenken über die Ziele und Konzepte der Stadt zu einem neuen Miteinander führen. Gerade jetzt nach dem Bürgerentscheid! Sozialer und kultureller Ausgleich und die Überlegungen, die das Stadttheater offen in einem Motto auf seinem Dach trägt, „in welcher Stadt wollen wir leben“ spielen dabei die  zentrale Rolle. Ob das dann alles schließlich in eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025 führen könnte, wird sich auf dem Wege in das Jubiläumsjahr 2020 zeigen. Ergreifen wir jetzt die Chance!

Atai Keller