Das war 2004 und der dritte im Bunde war Günter Theis, den ich heute hier auch sehr herzliche begrüße mit seiner Frau Gesa. Unvergesslich unsere dreier Wahlkampf-Fahrt auf dem weißen Motorrad mit Beiwagen vor dem Rathaus.
Es war also der Frust über die beginnenden Kulturkürzungen und die gemeinsame Hoffnung, bei der Stadtentwicklung selbst etwas bewegen zu können, die 48 Leute zusammen auf der Kulturliste Freiburg – kult kandidieren ließ: als Spitzenkandidat Paul Bert. In einem Protokoll vom 5.10.2004 von Rita Stoephasius, die heute auch unter uns ist und kürzlich ebenfalls ihren Geburtstag feierte, findet man folgende Beschreibung einer frühen Kulturlistensitzung: „Die Schwierigkeiten, das Protokoll zu schreiben, spiegeln den ungeordneten, undisziplinierten, von Einsprüchen, Widerreden, Unterbrechungen und ziellosen Debatten geprägten Abend wieder. Für die Tagesordnungspunkte, die allenfalls 45 Min. hätten in Anspruch nehmen dürfen, da alle unstrittig waren, brauchten wir 2 ½ Stunden“. Dieses hast Du geduldig über Dich ergehen lassen, es wurde ja von Mal zu Mal besser. Heute ist die Kulturliste gut aufgestellt und kümmert sich aktuell in Spartengesprächen um die Interessen der Kunst- und Kulturszene. Der Rest ist eigentlich Freiburger Gemeinderatsgeschichte. Dass Renate schon zehn Jahre vor Dir als Unabhängige Frau im Freiburger Gemeinderat saß, dass Dein Einzug ins Stadtparlament sozusagen ein familiärer Nachzieher war, dass das Zusammengehen mit LiSSt und UFF zu den Unabhängigen Listen – UL3  im Namen auf jeden Fall Deine Erfindung war, aber auch sonst hast Du daran gedreht, überhaupt die Unabhängigkeit ist bis heute für Dich ein hohes Gut, wie Du mir selbst erklärt hast, keine Partei hat bei Dir den Vorzug bekommen. Ein kritischer Geist mit sozialem Gewissen und Werteerhalt in einer Fraktions-Einheit mit Sozialkämpfern. Das ging und zwar gut. Abends nach halber Fraktionssitzung still und leise zum Stammtisch in den Biergarten oder zu den Numismatikern, in heimlicher Bewunderung für das soziale Engagement der Fraktionskollegen und Kolleginnen, die aber  wiederum in offener Bewunderung und Anerkennung der stadtplanerischen Erfahrung und des Kenntnisreichtums von Dir waren und sind. Dir eigen auch der alemannische Eigensinn, zum Beispiel in der Ablehnung jeglicher Windräder auf der Gemarkung Freiburgs, mit der Du in der Fraktionsgemeinschaft unserer drei Listen alleine standest, oder auch die erst jüngst nochmals in der BZ zu lesende Haltung gegenüber dem Neubau des Augustinermuseums. Du sprachst von Vergewaltigung des Gruberschen Kirchenraumes durch die Mäcklerische Überforderung der Bausubstanz, von Düsternis, Enge, Mystik, ja vom Mausoleum. Auch da ist Dir die Fraktion nicht gefolgt, auch wenn wir damals Deine Einsprüche sehr gut nachvollziehen konnten und heute noch besser können.

Bei anderen Themen waren wir aber unzertrennlich, man denke an den legendären Bürgerentscheid über den Wohnungsverkauf von 2006, wo die gesamte Fraktion in Heuschrecken-T-Shirts im Gemeinderat saß und so die ablehnende Haltung deutlich machte. Da kam Freude auf! Das war und ist Dir immer ein Anliegen gewesen, der Kampf für preiswerten Wohnraum. Ein heute besonders aktuelles Thema.

Du warst uns ein wichtiger Anleiter in der ablehnenden Haltung gegen die Straßenbahn auf dem Rotteckring, die wir bis heute überflüssig finden, aber die Zeit und die Mehrheiten sind über uns hinweggerast und jetzt müssen wir uns mit Platzgestaltung und Boulvardisierung beschäftigen, nicht ohne immer daran zu erinnern, dass wir das so nicht wollten. The show must go on! Auch die Planungen des sogenannten Solitärs am Friedrichring haben wir einhellig abgelehnt, heute kann man trefflich über diesen Bau streiten. Beim Thema Möblierung der Innenstadt, gemeint ist nicht die Aufstellung von Pflanzenkübeln in der Kajo, sondern die Zulassung von Sitzplätzen bei Gaststätten und die Aufstellung von Werbeträgern aller Art in der Innenstadt waren wir immer einer Meinung, dass weniger mehr ist. Unvergessen in diesem Zusammenhang Dein viel zitierter Spruch von der „Kajo als Fanmeile des Kommerzes“. Apropos Kajo, zuletzt hat sich die Fraktion bei Dir Rat gesucht in der Beurteilung der  Sparkassenlücke, die so mancher nicht mehr bebauen wollte, Du aber klar formuliertest, das wird wieder bebaut, der Abriss der Häuser durch die Sparkasse war die Sünde, den Platz hat es nie gegeben, deswegen muss da wieder was hin!

In Deine Amtszeit als Stadtrat fiel auch der unsägliche, aber selbstverschuldete Wegfall des Baudezernats am 19.12.2006 und die Aufteilung der verschiedenen Bereiche auf verschiedene Bürgermeister, was für Dich schlicht der Schocker war. Deswegen sind wir alle wieder froh, dass diese politische Scharte inzwischen vom Gemeinderat wieder gut gemacht wurde und wir heute den anwesenden Baubürgermeister begrüßen dürfen.

Du hast für die Stadtbahnlinie Gundelfingen gekämpft und entscheidend dafür gestimmt, und musstest Dich keinem Fraktionszwang unterwerfen, was für Dich ganz wichtig war, die offene Diskussion in der Fraktionsgemeinschaft, keine Listenvotum, die freie Beteiligung der aktiven Kräfte aus den Listen, die ein Markenzeichen der Fraktionsarbeit bis heute ist. 2009 hast Du Dich dann zurückgezogen aus der aktiven Gemeinderatsarbeit, es war wohl von allem etwas, etwas Frust, etwas Unlust, etwas Puste aus, wohlverdient, wie wir meinen!

So warst und bist Du ein freier Geist in sich bewegender Umgebung, manchmal sperrig, oft liebenswert und fröhlich, selten kauzig, jetzt im endlich verdienten Ruhestand im Kreise der vielköpfigen Familie mit Großvateraufgaben, wir gratulieren und wünschen ein gutes und gesundes weiteres Leben!

Atai Keller