Das Stadtjubiläum. Die Leitidee „Freiburg 2020 – Brücken bauen und neue Wege gehen“ von Barbara Mundel und die Posse ‚Freiburg 900 Jahre jung’ – Visionen und ernüchternde Realität.

Der Konzeptentwurf von 2017 der ehemaligen Freiburger Intendantin Barbara Mundel sollte bundesweite Ausstrahlung erzielen mit ihrer Leitidee „Brücken bauen und neue Wege finden“ – Nachhaltig für die Zukunft, basierend auf den vier Handlungsfeldern, die aus dem Freiburger Nachhaltigkeitsprozess erarbeitet wurden und von der Überzeugung ausgeht, dass Kultur Brücken bauen kann.

Soziale Gerechtigkeit – Bildung – Stadtentwicklung – Natur /Ökologie

Brücken bauen zwischen Menschen, Gruppen, Stadtteilen, Institutionen …

Brücken bauen zwischen Geschichte und Zukunft

Brücken bauen – neue Wege gehen

Dabei ging es neben den üblichen Events auch vor allem um Langzeit- und Initiativprojekte rund um die grundsätzliche Frage nach der Zukunft, in der wir in Freiburg leben wollen.

Jetzt bräuchte man schon eine große Brücke, um den tiefen Graben zwischen der damals an- und durchdachten visionären Leitidee und dem eilig nachgeschobenen Konzept von 2019 nach der Devise: Wir lassen die Freiburger Bürgerinnen finanzielle Anträge stellen und schauen dann nach einem passenden Motto, zu überwinden. Oha ‚Freiburg 900 Jahre jung’, ausgedacht von einem städtischen Marketing-Team war stets bemüht, die vielen kleinen und größeren Ideen zum gemeinsamen Feiern unter einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Was tatsächlich alles in der Bürgerschaft vor- und ausgedacht wurde, bleibt letztlich im Dunkeln, Transparenz in der Planung, Auswahlverfahren und -kriterien schienen eher zufällig.

In unseren Augen ziemlich kleinkariert für eine Universitätsstadt, die kontinuierlich wächst, die beispielhaft nachhaltige Stadtentwicklung betreibt, die weltweit Modellcharakter für ökologische Urbanität präsentiert … und in der es sich gut leben lässt. Vielleicht ist die Frage nach dem fehlenden Gestaltungsanspruch für das 900-jährige Stadtjubiläum bei der Stellung der Kultur in der Freiburger Gesellschaft, ihren politischen Gremien und in der Freiburger Stadtverwaltung zu suchen.

Jubiläumsjahre können einen Prozess in einer Stadtgesellschaft auslösen und nicht nur eine Summe von touristischen Ereignissen darstellen oder weitere Gelegenheiten zu schaffen, sich selbst zu feiern. Viele andere Städte haben das zuvor schon bewiesen – sie haben ein solches Datum zum Anlass genommen, Brücken zu bauen und neue Wege zu gehen, die sonst im politischen und verwaltungstechnischen Alltag der Stadt eher unterzugehen drohen. Nur allzu gerne hätten wir das Geld so sinnvoll angelegt gesehen, dass es in unsere Zeit, in unseren gesellschaftlichen Umbruch, weit hineingelehnt in alle Stadtteile, passt und neue kulturelle Verbindungen geschaffen hätte.

Nun feiert Freiburg die ‚900-jährige-Jubiläumskomödie’ wie eine Kleinstadt, der dann auch noch die Pandemie einen Strich durch die Rechnung macht. Aber das Spektakel wird versprochen bis in den Sommer 2021 verlängert und dann können wir das Thema endlich abhacken, wahrscheinlich mit einem Kater vom aufgemotzten Weinfest oder Schlossbergfest oder, oder…

„Freiburg – Stadt am Fluss“, war eine der besonderen städteplanerischen Ideen, die eingebracht wurden und dem ein Antrag der Architektenkammer folgte. Man wollte für eine Woche das nördliche Dreisamufer zwischen Schwabentor- und Kronenbrücke sperren lassen, um lustvoll mit den Freiburgern den Boulevard zu bespielen und gemeinsam die Erfahrung zu machen, wie sich diese neuen Nutzungsmöglichkeiten denn „anfühlen“. Das Projekt wurde leider nicht ermöglicht. Und spätestens seit der ersten Online-Sitzung der ‚Arbeitsgruppe Oberflächengestaltung’ am 09.12.2020 wissen die Teilnehmenden, mit wie viel Oberflächenverkehr nach dem umstrittenen Bau des Stadttunnels etwa zu rechnen sein wird und dass die Bezeichnung ‚Boulevard’ genauso eine Täuschung ist, wie die Autobahnvollanschlüsse an die A860 sprachlich verharmlosend ‚Westportal’ oder ‚Ganterknoten’ zu nennen.

Modellhafte Projekte und beispielhafte Versuchsanordnungen hätten im Rahmen eines Stadtjubiläums Ideen zu einer neuen Stadt vorformulieren können – konkret denkbare Strategien und auch abgedrehte Visionen. Ein lebendiges Planspiel von Urbanität, Gesellschaft und Kultur. Mit mehr Mut zur Zukunft wäre man jetzt schon einen Schritt weiter.

Gabi Dierdorf und Dr. Christoph Schneider

Fotos: Gabi Dierdorf