Kunst im Aquarium – Adventsausstellung – 24.12.2021

Kunst im Aquarium

Adventsausstellung der Kulturliste
im blauen Haus in Freiburg
Dezember 2021
 
von Theo Hofsäss

Früher war mehr Lametta, aber immerhin wurde in diesem Dezember jeden Tag ein Türchen geöffnet und einer der 22 Kunstschaffenden durfte sich und seine Arbeiten zeigen. Am 8. Dezember hatte ich Dienst im Aquarium. Statt eines Fisches wurde ein Nikolaus geboren.
 

Wir nannten die zweigeschossige temporäre Galerie deshalb so, weil der obere Raum an drei Wänden von Schaufenstern umgeben war. Alles lief wie am Schnürchen und wurde immer runder. Irgendwann waren dann sogar die verschollenen Flyer da.  Eine Kunstausstellung als Prozess und dabei habe ich auch noch interessante Menschen kennengelernt. Danke.

Die Künstlerinnen und Künstler durften sich präsentieren, wenn ihr Adventskalendertürchen aufgegangen war. Der Zutritt für Publikum war wegen der neuen Corona-Verordnungen nicht gestattet. Aus diesem Grund mussten die Künstler und Künstlerinnen ihre Arbeiten an die Schaufensterscheibe tragen, damit man sie von draußen sehen, begutachten und würdigen konnte. Zum sonst üblichen Schaffen und Aufstellen des Werkes kam bei dieser Ausstellung das aktive Zeigen hinzu. Mit dem Gang in die „Unverborgenheit“, der aus den Tiefen des Untergeschosses getragenen Exponate wurden sie in Beziehung gesetzt zur Welt. Die damit „ins Werk“ gesetzte Wahrheit hinter der Glasscheibe offenbarte nun die Art und „Weise, wie Wahrheit west“. So hätte Heidegger das gesagt, wenn er heute noch etwas sagen dürfte.

Kommuniziert wurde über die eigens eingebaute Gegensprechanlage. Ein Retrowitz, aber hilfreich beim Versuch eines Dialogs durch eine Scheibe hindurch. Krächzen am Anfang, alles unklar und verwaschen, bis der eigene Hörapparat sich neu ausgerichtet hatte. Dann konnte das Gespräch mit den Kunstinteressierten draußen beginnen. Die Scheibe vor dem meist ungerahmten Kunstwerk, das die Besucher im Blick hatten, war aber auch die Scheibe zwischen den beiden Menschen, die da im Gespräch waren. Sie verhinderte Nähe. Aber erst weil diese „Infektionsschutzwand“ da war, durfte ein Dialog stattfinden. Der fing bei Kunst an, ging über zu den Alltagssorgen und umwehte am Ende das Thema der Glasscheibe zwischen dem Besuch und der oder dem Kunst-Schaffenden selbst.  

Da standen zwei Menschen an der Scheibe, jeder auf seiner Seite, und redeten über die Gegensprechanlage miteinander. Die Scheibe war wie ein Display, auf das jeder seinen Blick richtete. Gleichzeitig ein Spiegel, der alles Gesprochene zurückwarf. Und alles war sichtbar. Jeder sah den anderen und sich selbst. Jeder hörte den anderen, und den hinter ihm. Und wegen der Rückkopplung manchmal auch sich selbst. Indem die Scheibe an sich zum Gegenstand der Diskussion wurde, verschwand noch mehr vom Inhalt des ursprünglichen Themas und konzentrierte sich auf das, das sich spiegelte: das an sich Seiende und das eigene Fremde in mir und im Anderen. Die Spiegelungen hatten alles verdoppelt, sogar manche Kunstwerke im Innenraum.

Kein Wunder, dass an diesem magischen Abend aus dem Nichts sich plötzlich ein Nikolaus aus Schokolade materialisierte und auf einem der Sockel seinen Liegeplatz fand…