Notstrom-Festival 2023, Foto: Markus Schillberg

Am Sonntag ging das Notstrom-Festival nach einem zwölf-tägigen, spartenübergreifenden Programm mit einer Performance des Südufer Chor, sowie einem geselligen “Biergarten-Ausklang” zu Ende. Das Festival fand nun das vierte Jahr in Folge statt. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie noch unter dem Namen “Asphalt-Sessions”, erfreut sich die kulturelle Parkplatzumwidmung auch in post-pandemischen Zeiten großer Beliebtheit.
Das E-Werk hat die einschneidendste Kulturkrise seit Ende des Zweiten Weltkrieges (um nicht weniger handelte es sich!) gemeistert, das belegen die Zahlen, welche am vergangenen Samstag der Badischen-Zeitung zu entnehmen waren:

2022 insgesamt 348 Veranstaltungen, 30.900 Besucher:innen – davon nach Sparten: Gegenwartskunst: 26 | Musik: 46 | Theater 83 | Tanz: 59 | Projekte: 47 | Festivals: 86. Gesamthaushalt: 1,97 Mio. EUR.

Damit ist das E-Werk unstrittig das Flaggschiff unter den städtischen Kultureinrichtungen. Eines, das spartenübergreifend in alle Richtungen wirken kann, das junge Kultur und etablierte Bereich erreicht und verbindet, und somit als Motor für permanente Innovation verschiedenster Szenen fungiert.

Dass Jürgen Eick als geschäftsführender Vorstand nach fast zehn Jahren das E-Werk verlässt, ist für viele sicherlich eine Überraschung. Sein Wunsch nach künstlerischer Verwirklichung nach Jahren der organisatorischen Verantwortung ist nachvollziehbar und wir wünschen ihm dafür viel Glück und jeden erdenklichen Erfolg. Er geht im Guten und hinterlässt das Haus mit einem Geist der kulturellen Offenheit, Neugier und Agilität. Diese Position geeignet zu besetzen, wird eine große Herausforderung.

Im Zuge dieser Neuaufstellung erhoffen wir uns eine Debatte über den Wert des E-Werks für die Freiburger Kulturlandschaft. In den diesjährigen Haushaltsberatungen fielen die Ergebnisse nämlich durchaus gemischt aus: Die Erhöhung für das Jazzfestival (5.000 EUR jährl.) blieb aus, und insbesondere das hochgelobte Notstrom-Festival (40.000 EUR jährl.) scheiterte krachend – einzig die Kulturliste brachte den Antrag ein, Stadtrat Atai Keller stimmte als einziger zu. Die Kulturverwaltung wertete den Antrag im Vorfeld als “fachlich nicht befürwortet” – Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach ließ es sich jedoch nicht nehmen, das diesjährige Notstrom Festival zu eröffnen.

Nach Auslaufen der Corona-Sondermittel von Bund und Land, sowie gescheitertem Haushaltsantrag, schnitt sich das E-Werk den Etat für das Festival aus dem eigenen Haushalt. Dieses Durchhaltevermögen ist dem E-Werk hoch anzurechnen – es bleibt jedoch ein gewisses Fragezeichen, ob Wertschätzung auf diese Weise gelingen kann. Auch auf Dauer.

Erfolgreich waren hingegen die Anträge für das Cordiale (Migrant:innen Festival, 20.000 EUR jährl.), sowie eine kleinere Erhöhung der Personalmittel (15.000 EUR jährl.) für die Kuration der Galerie der Gegenwartskunst. Diese Erfolge sollen hier keinesfalls geschmälert erscheinen – denn Mittelerhöhungen für das E-Werk durchzusetzen, wurde in den letzten Haushaltsberatungen immer schwieriger.

Aber woran liegt das? Gilt das E-Werk als “mothership of modern culture” bei einigen als “ausfinanziert”, gar “behäbig” oder “träge”? Blickt man in die umfangreichen Programmhefte und oben genannten Zahlen, bestätigt sich dieser Eindruck mitnichten. Auch die Kooperation mit dem CSD Freiburg samt Abschluss-Rave auf dem Parkplatz diesen Jahres bestätigt den Willen und die Fähigkeit der Einrichtung, Brücken zwischen Generationen und Akteur:innen zu bauen, wie kein anderes Haus. Diese Fähigkeit wird entscheidend für Jürgen Eicks Nachfolge bleiben, um Impuls und Frequenz der Innovation im Kulturhaus an der Ochsenbrücke weiterhin auf hohem Level zu halten. Gemeinderat und Stadtspitze täte gut daran, diese Einzigartigkeit auch in Zukunft zu würdigen. Und zwar mit mehr, als bloß mit Grußworten.