3 X WIN und ein ABER
Rede von Atai Keller zum Erwerb der Morathallen durch die Stadt, zur Kooperationsvereinbarung und der Nachfolge von L6
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerschaft, ja, wir schreiben heute Stadtgeschichte! Stadtgeschichte ist Kulturgeschichte. Wenn wir mal kurz zurückblicken in die Anfänge der 2000er Jahre, dann war damals die Veräußerung von städtischen Grundstücken ein probates Hilfsmittel, den Haushalt zu sanieren. Damals wurde das historische Haus an der Mehlwaage, mitten in der Stadt, veräußert, und die Künstlerwerkstatt Mehlwaage, Heimstätte so vieler bekannter Freiburger Künstler:innen, wurde an den Rand der Stadt geschickt. Dort in Zähringen wurde die Verwaltung fündig: Ein ganzes Haus, von privat gemietet, für die Kunst. Es gründete sich das Künstlerhaus L6 (Lameystraße 6) und beherbergte ab 2004 nicht nur die Künstlerwerkstatt, sondern vor allem auch die inzwischen auch heimatlose Städtische Galerie, 8 Proberäume für Bands, das städtische Gastatelier Mondial und kleine Atelierräume für circa 10 Künstler:innen. Zum 20-jährigen Jubiläum müssen nun alle Beteiligten gehen und hoffen auf Ersatz.Jochen Ludwig, der langjährige Direktor des Museums für neue Kunst bis 2011, sagt in einem Interview über den Fortbestand der städtischen Galerie 2022: „Freiburg braucht diese Einrichtung. Und die Künstlerinnen und Künstler brauchen dieses verlässliche, bedingungslose Angebot der Stadt, aus ihren Ateliers hinausgehen und uns zeigen zu können, wie Bilder, Skulpturen und Installationen den Blick auf die Welt schärfen und verändern.“Stadtgeschichte hat aber auch viel mit Personen zu tun, hier: mit der Familie Morat und ihrer 1984 gegründeten Stiftung, übrigens auch ein Jubiläum: 40 Jahre zusammengeführte Moratstiftung.
Der Einzug in die Hallen an der Lörracherstraße fand 1987 statt, und seither ist der Name Moratstiftung weltweit in Kunstkreisen bekannt. Wenn wir uns die Reihe der Ausstellungen in ganz Europa anschauen, auf denen Werke der Moratsammlung gezeigt wurden, können wir nur ehrfürchtig auf den Sammler Franz Armin Morat schauen, der schon als Kind und Unternehmenssohn die Kunst entdeckte, Philosophie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an verschiedenen Universitäten studierte und dann sein Leben der Kunst, dem Sammeln und der Unterstützung von Künstler:innen widmete. Und es waren eben nicht nur die großen Namen, die Franz Armin Morat kaufte und förderte wie Schuch, Hoehme, Kocherscheidt, Bernhard, Sezanne, Kirkeby, Morandi, Goya, Dürer, Rembrandt oder Schongauer, sondern die unbekannten Künstler:innen, die er im Visier hatte und denen er Ausstellungsmöglichkeiten und oft auch finanzielle Unterstützung zukommen ließ. Berühmt ist seine Unterstützung für Artur Stoll aus Norsingen zum Beispiel, der heute noch im Café Norso hier in Herdern weiterlebt. Berühmt ist aber auch immer sein gesellschaftlicher Rückbezug von Kunst und seine Unterstützung von Rudi Dutschke in den 70er Jahren, so wird jedenfalls erzählt.Erinnert sei an die Festschrift anlässlich des 70. Geburtstages von Franz Armin Morat unter dem Titel „Franz im Gehäus“.Es ging ihm eben nicht nur um die Kunst, sondern auch um die Kunstwissenschaft, das heißt, es geht hier im Diskurs auch um die Beschäftigung der Kunst mit ihrer Gegenwärtigkeit. Deswegen hat die Stiftung in ihrem Namen auch den Zusatz Stiftung für Kunst und Kunstwissenschaft. Franz Armin Morat ist bis heute Experte, Sammler, Unterstützer, Mäzen und Wissenschaftler und bildet mit seiner Frau Eva eine starke Festung der Kunst in St. Georgen am Beginn des zukünftigen Kreativviertels Schildacker, wo hoffentlich später einmal die Kunst und Kultur in die Gemäuer und in die Häuser einziehen werden, was ja teilweise heute schon der Fall ist.Und es geht nicht unerheblich um die Stadt Freiburg, die ihren kulturellen Ruf weiter ausbauen kann und wird, indem sie die Moratsammlung über die Museen jetzt erst einmal aufarbeiten lässt und teilweise den Bestand in die eigene Sammlung auf langjähriger Leihbasis eingliedert, indem sie die Hallen und das ganze Ensemble kauft und daraus ein großes Kunstprojekt für die Stadt, die Kunstszene und die Bürger:innen macht. Dafür erst einmal großer Dank an alle Beteiligten, die in den letzten Monaten kontinuierlich an dieser Lösung gearbeitet haben. Dem Dezernat III, maßgeblich Frau Beyer und Frau Kitiratschki, aber auch dem Bürgermeister Ulrich von Kirchbach, dem Liegenschaftsamt, der Direktorin des MFK Frau Litz, dem Kulturamt und auch dem Dezernat I, dem Oberbürgermeister Martin Horn, der wohl bei der Einfädelung der Spende nicht unerheblich mitwirkte.Und da wären wir an einem besonderen Punkt, der gerne auch Nachahmer:innen in der Stadt finden könnte: Es geht um die Bereitschaft einer privaten Mäzenin und selbst Sammlerin, die in vorbildlicher Weise für die Stadt und die Kunst in der Stadt eine große Spende macht, mit deren Hilfe erst alles möglich war. Man stelle sich vor, diese Spende hätte es nicht gegeben, was hätte die Stadt wohl getan? Aber das wollen wir nicht weiterverfolgen. Also bekommt die Stadt in einmaliger Weise hier eine Sammlung und ein Gebäudeensemble in die eigene Verwaltung, die einen besonderen wissenschaftlichen, musealen und kunsthistorischen Wert und eine außergewöhnliche künstlerische Bedeutung besitzt. Diese Übernahme, die für die Stadt vergleichbar günstig verlaufen ist, bedeutet aber auch gleichzeitig Verpflichtung für die Zukunft, nämlich Verpflichtung für einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Werten. Und das heißt, genügend personelle Ausstattung einerseits für die Aufarbeitung der Werke, aber auch für die spätere Präsentation zur Verfügung zu stellen. Das heißt aber auch andererseits, die Hallen nach Umbau und Konzepterstellung nicht nur durch das Kulturamt, wie es in der Vorlage steht, verwalten zu lassen, sondern zumindest einen eigenen Personalschlüssel für die städtische Galerie, den Skulpturenpark von Dietrich Schön und die zweite flexible Halle für künstlerische Sonderprojekte aufzustellen, das heißt, eine eigene Leitungsstelle für die Hallennutzung auszuschreiben. Dazu ist die Stadt und die Kulturverwaltung meiner Meinung nach verpflichtet. Wir werden Sie zu gegebener Zeit daran erinnern.Und da ist noch ein viertes und letztes: Wir verzichten momentan bewusst auf Zusatzanträge, die dann das Projekt zerlegen würden. Aber wir erinnern uns: Es gibt, wie eingangs erwähnt, im Künstlerhaus L6 noch weitere Abteilungen, die jetzt durch das Ende des L6-Projektes obdachlos geworden sind. Da sind zunächst die Räume der eingangs angesprochenen Künstlerwerkstatt Mehlwaage, die in langer Tradition sich um die Druckgrafik vor Ort kümmert mit einem erheblichen Maschinenpark. Die zukünftige Unterbringung ist in vollem Gange und auch wohl erfolgreich, nicht ganz im zeitlichen Anschluss, aber dennoch aussichtsreich in der Fabrik in der Habsburgerstraße, großer Dank an das Kulturamt und das Team der Fabrik, bleiben Sie dran und machen Sie das möglich, wir sollten dann im nächsten Doppelhaushalt die Möglichkeiten der dauerhaften Unterbringung schaffen. Leider gerät der Ersatz der Proberäume für die Bands aus L6 zu einem mittleren Trauerspiel, da die Module erst Mitte 2025 fertig werden, wir können dann nur auf das anvisierte Probe- und Musikerhaus in der Schönauerstraße hoffen und es dann auch bald realisieren. Und letztlich die Ateliers, die große Mangelware in Freiburg sind. Wir brauchen mehr Räume und mehr Atelierfläche. Dazu muss der Schildacker weiter als Kreativwirtschaftsgelände ausgebaut werden. Ein Rahmenplan liegt vor – schon länger!Ich danke Ihnen fürs Zuhören!
Atai Keller (Stadtrat Kulturliste Freiburg)
3. Sitzung des Freiburger Gemeinderates 2024, 19.03.2024.