In einem Sonderheft des Zeitschrift ‚Theater der Zeit‘ aus dem Jahre 2011 unter dem Titel „Heart of the City – Recherchen zum Stadttheater der Zukunft“ beschreiben die Herausgeber Barbara Mundel und Josef Mackert eindrucksvoll ihre Realität: „Jeder von uns kann leicht die Verkrustungen und Blockaden beschreiben, die die künstlerische Arbeit in den Stadttheatern behindern oder beschweren. Die destruktive Wirkung unterschiedlicher Vertragssysteme, überlebter Hierarchien, demotivierender Arbeitsstrukturen, veralteter Abteilungsgewohnheiten, das ist alles hinreichend bekannt“. Und die beiden sprechen weiter im Text von Ohnmachtsgefühlen und dem ständigen politischen Druck prekärer Haushaltsverhältnisse, in denen man sich darauf konzentriert, die schiere Existenz der Häuser abzusichern. Sie sprechen von der Überlebensarbeit und der Energie, die dadurch verschlungen wird und nicht Kreativität frei setzen kann. Und dann kommt es aber positiv: „Es genügt nicht zu überleben. Wir müssen eine neue Relevanz erarbeiten.“

Gleichzeitig bekennen sich die beiden dazu, nach wie vor die große Oper machen zu wollen, das Abonnement bedienen zu wollen, das Tanztheater zu behaupten, die Klassiker für die Schulen erzählen zu wollen und für die Kleinsten das Weihnachtsmärchen Fünfzig mal zeigen zu wollen. Diesen Spagat zwischen traditionellen und zukünftigen Aufgaben ist eine große Herausforderung und davon ist in Freiburg viel und täglich zu spüren. Und nochmal in deren Text: „Noch denken wir zum Beispiel, dass wir feste Ensembles, Repertoires und Abonnements brauchen. Aber wie können wir Schauspielensembles multikultureller gestalten? Wie können wir neben den fest engagierten Schauspielern projekthafte Engagements tätigen, mehr frei arbeitende Künstler auf Zeit an unsere Häuser holen? Externe Gruppen zu temporären Partnern machen? Wie also können wir das Bedürfnis nach künstlerischer Kontinuität in eine produktive Spannung zur je unterschiedlichen künstlerischen Setzung bringen?“

Ja, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich breite Ihnen das deswegen so ausführlich aus, damit man begreift, was die Theaterleitung leistet, und ich meine damit auch das ganze Team: Frau Mundel, Herr Mackert, Frau Hasselberg, Herr Engert, Herr Bollon, Frau Volkert, Herr Kaiser, Frau Wagner, Frau Schuster und alle anderen, die die täglichen Herausforderungen annehmen und dem Stadttheater Freiburg ein lebendiges Gesicht geben.

Wenn das Ganze als künstlerischer Prozess begriffen werden soll, kann dieser natürlich auch immer wieder scheitern oder Rückschläge erleiden.  Noch wird die Tanzsparte als schrumpfende Sparte wahr genommen, die immer mehr für die unter 30 jährigen da ist, die Oper erstrahlt in neuem Glanz dank einer Exzellenzinitiative, deren Donatoren, rotgekordelt sich inzwischen sichtbar abgrenzen vom Rest der Pausengäste im Winterer-Foyer, Theater im Theater. Die lokale freie Szene rümpft die gemeinschaftliche Nase und ist nicht begeistert über die Stadtausflüge des Theaters und die Partnerprojekte mit externen Gruppierungen, werden doch auch potentielle Projektgelder des Bundes und des Landes durch das Stadttheater abgegriffen. Und schließlich würde manch Einer oder Eine lieber mal eine Einladung des Freiburger Theaters zum Berliner Theatertreffen sehen als wieder die Projektarbeit eines Themenwochenendes auf der Hinterbühne. Aber das sind die Spannungsfelder von denen ich schon Eingangs sprach. Diese müssen durch die Leitung des Hauses abgefedert und in neue Energie umgewandelt werden, das Theater als künstlerisches Transformatorenwerk!

Die Stadt Freiburg hat nun die Bedeutung dieser künstlerischen Recherchearbeit  erkannt und durch  eine Zielvereinbarung 2013 – 2018 erneut eine klare Planungssicherheit für das Stadttheater abgegeben. Die Übernahme der tariflichen Steigerungen, die Erhöhung des städtischen Zuschusses um immerhin 200.000.- Euro, die Festschreibung des Extra-Beitrages für kulturelle Bildung und der städtische Anteil an der Exzellenzinitiative sind Zeichen der Unterstützung des eingeschlagenen Kurses durch die Stadtspitze mit OB und Kulturbürgermeister und jetzt mit dem gesamten Freiburger Gemeinderat. Mit der vorliegenden Vertragsverlängerung des bewährten Leitungs-Duos Barbara Mundel/Fabrice Bollon können sie jetzt bis 2016  ihre gute Arbeit im Drei-Spartenhaus fortsetzen und vervollständigen, die Theater Zukunftsarbeit ist ein Work in Progress, welches zum momentanen Stand die personelle Kontinuität braucht.

Das Schauspiel sucht immer wieder neue Wege, der Tanz braucht neue Impulse und auch Einflüsse von außen, die Oper ist sehr gut bestückt und das Orchester wird gerade in seiner personellen Ausstattung auf ein besseres noch nicht ganz gutes Niveau angehoben. Ich sage das alles, nicht ohne darauf zu verweisen, dass dies nur geschehen kann, wenn wir auch parallel die freie Szene stärken und die freien Theatergruppen und Musikensembles in der Stadt in ihrer Arbeit gebührend unterstützen, denn schon lange ist die freie Szene mit ihren vielen freien Gruppen ein ähnlich starkes künstlerisches Feld wie das Stadttheater.

Leider ist uns ganz aktuell ein Projekt zerbrochen, das eindrucksvoll die Kooperation ausgedrückt hätte zwischen Stadttheater und freier Szene: Die Ersatzspielstätte für das „Kleine Haus“ und die anschließende heiß ersehnte Nutzung durch die freie Szene als Spielstätte scheitert nun an der viel zu späten Intervention durch die Firma Ganter, das war schlechtes Management! – und dennoch einen großen Dank natürlich an die Firma Ganter für die Bereitschaft, die Ersatzspielstätte für das Große Haus auf ihrem Gelände zu ermöglichen, auch das ist nicht selbstverständlich, ebenso wie die finanzielle erhebliche Aufwendung durch die Stadt, um die wir aber nicht herum kommen.

Dem Theater wünsche ich weiterhin eine gute kritische Hand und eine erfolgreich künstlerische Entwicklung. Wir werden als Fraktionsgemeinschaft diese Entwicklung wohlwollend begleiten und nicht aufhören, das Theater zu hinterfragen, wenn es die Gesellschaft befragt und wir werden gemeinsam mit den Theaterleuten an einem neuen Begriff von Theater arbeiten, der sich dann an die ganze Stadt wenden und die Teilhabe und Teilnahme für alle ermöglichen soll.

Wir wünschen uns noch mehr Kamingespräche! Wir werden allen vier Vorlagen zustimmen!

Ich danke Ihnen!
Atai Keller
Stadtrat der Kulturliste