Pop-Up-Shops, temporäre Kunstausstellungen, vierwöchige Installationen: In Freiburg werden leerstehende Räume immer häufiger als kurzzeitige Kunsträume genutzt. Das Phänomen der Zwischennutzung ist ein Segen für Künstler – aber auch für die Nachbargeschäfte, den Vermieter und die Kunden.

Mittwoch vor einer Woche: Der Kulturliste-Stadtrat Atai Keller steht vor dem ehemaligen ADAC-Gebäude am Karlsplatz und fordert dessen Nutzung als temporären Kunstraum: „Eine Art Zwischennutzung, wie es sie auch schon in anderen Räumen gibt“, so Keller. Damit spricht er ein Phänomen an, das sich in den letzten Monaten immer öfter zeigt: Junge Künstler oder Designer mieten sich in leerstehende Räume ein, bleiben dort ein paar Wochen und verschwinden wieder. Von Kunstausstellungen am Friedrichring 1, Aktionen im Pförtnerhaus der Brauerei Ganter bis hin zum Büro der Kulturliste F 58: Zeitlich befristete Nutzung baulicher Anlagen bezeichnet man als Zwischennutzung. Sie funktioniert nach dem Prinzip „günstiger Raum gegen befristete Nutzung“.

Leerstand Kunst: Atrium

Im Atrium

Foto: Thomas Kunz

Ein gutes Beispiel gab es in der Marienstraße neben der Brauerei Feierling. Das Gebäude, in dem früher der Laden „Karl Etoffe & Max Tessuti“ ansässig war, gehört Braumeisterin Martina Feierling-Rombach. Ende 2014 nutzten Kreative das leerstehende Geschäft, um einen Pop-Up-Shop, also ein Geschäft, das nur kurz geöffnet ist, zu betreiben. Iris Wiedemann war mit ihrem Label „Siri Piri“ dabei: „Bei einer Zwischennutzung profitieren alle: Der Nutzer, die Nachbargeschäfte, der Vermieter und die Kunden, die Abwechslung bekommen in das oftmals eintönige einerlei der großen Ketten, die man in allen Städten findet.“ Auch die Erfahrungen mit Vermieterin Feierling-Rombach waren positiv: „Sie war froh über mein attraktives Geschäft und sehr kooperativ,“ so Wiedemann. Das kann Stadtrat Atai Keller gut nachvollziehen: „Etwas Besseres kann man sich als Geschäftsmann doch gar nicht wünschen“, sagt er. „Die haben Miete gezahlt, den Raum aufgewertet und somit noch Werbung für den Ort gemacht.“

Warum gerade in jüngster Zeit so viele Zwischennutzungs-Projekte aus dem Boden schießen, lässt sich vielleicht anhand der Wohnraum-Situation erklären. „Die Stadt macht gerade große Zäsuren, Häuser werden abgerissen, Orte verändern sich“, spekuliert Keller. Aufgrund der hohen Mieten wechseln in vielen Häusern öfter die Nutzer, niemand ist lange an einem Ort. Die Auswüchse der negativen Mietentwicklung sind der Nährboden für Projekte der Zwischennutzung: Junge Künstler, die einen Ausstellungsort suchen, finden in den leerstehenden Räumen die Umgebung, die sie suchen – zum Beispiel in der Atrium-Passage am Augustinerplatz. Eigentümer Peter Unmüßig wird das Einkaufszentrum vom kommenden Herbst an komplett umbauen, die ansässigen Geschäfte sind bereits ausgezogen oder stehen kurz davor. Die Zeit zwischen Auszug und Umbau hat der gemeinnützige Verein Kulturaggregat genutzt. Unter dem Slogan „August im August“ zeigen Künstler wie Virus One, der Fotosalon der hKDM und das Projektlabor der illu2 ihre Werke. Auch die italienische Street-Art-Künstlerin Alice Pasquini stellte dort ihre Bilder aus.

Das jüngste Projekt ist „Microfloors“ von Tobias Jeschke. Eine Veranstaltung, die elektronische Musik mit Kunst verbindet. „Zwischennutzungen sind immer reizvoll für kreative Köpfe – zum einen darf man in Räume rein, die sonst nicht machbar wären, zum anderen bespielt man jedes Mal Neuland – und genau das suchen wir mit Audioguerilla: sparten-freie, offene Menschen“, so Jeschke.

Die Zwischennutzung ist eine Art Win-Win-Situation für beide Seiten, also Nutzer und Eigentümer: Sie bietet Kreativen kurzfristig Räume, in denen sie sich und ihre Kunst präsentieren können. Anders herum werten Kulturschaffende Räume auf und erwecken sie zu neuem Leben. Die Verhandlungen über Zeitraum, Miete und bürokratische Angelegenheiten machen die Parteien unter sich aus.

Die Stadt Freiburg kommt erst ins Spiel, wenn die Nutzung der Räume geändert werden soll. „Dann muss beim Baurechtsamt ein Antrag auf Änderung der Nutzung gestellt werden. Wie bei allen andern Verfahren auch – ob nun endgültige Nutzung oder solche zwischendurch“, so Pressesprecherin Edith Lamersdorf. Trotzdem sind die Signale positiv: „Insgesamt ist eine Nutzung immer besser als Leerstand.“

Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Di, 25. August 2015
Autorin: Gina Kutkat
Foto: Thomas Kunz